Anker
Fast jede*r Klient*In in meiner Praxis bekommt bei mir ein kleines symbolisches Geschenk, einen sogenannten Anker. Aber was ist das, ein Anker in der Psychologischen Heilpraxis?
Aus der Schifffahrt kennt ihn jedes Kind: Wenn das Schiff außerhalb des Hafens festgemacht werden soll, wird der Anker geworfen. Er ist groß und schwer, oft hat er Krallen, die sich im Grund festhaken. Das Schiff bleibt über Nacht oder bei schwerem Wetter an einer geschützten Stelle, sicher und ruhig.
Anker gab es bereits in der Antike, und das Ankersymbol findet sich nicht nur als Tätowierung bei Seeleuten: Es steht für Treue und Hoffnung und man findet ihn z.B. auch auf Wappen.
Die Anker, die ich anwende, funktionieren ähnlich und doch ganz anders. Natürlich haben sie nicht die Form schwerer eiserner Bootsanker. Aber die Anker, die meine Klienten von mir erhalten, geben genauso Halt und Grund. Wenn ein Anker zur Hilfe genommen wird, kannst du dich entspannen.
Wie sieht so ein Anker aus? Das kommt ganz auf meine Klient*in an: Je nachdem, welcher Sinn besonders empfänglich ist, wählen wir den Anker. Das kann ein kleiner bunter Schmetterling sein, ein Armband, ein getöpferter Handschmeichler oder ein Duft. Manchmal eine Bewegung oder ein anderer Sinneseindruck, wie der Anblick des eigenen Spiegelbildes. Eigentlich kann es ALLES sein. Das klingt jetzt ziemlich schwurbelig, das ist mir schon klar…
Wichtig ist, was der Anker tut: Er verbindet einen Sinneseindruck mit einem Gefühl. In Falle der therapeutischen Arbeit natürlich mit einem guten, heilenden, stärkenden Gefühl. Wir suchen das gute Gefühl und verbinden es dann kreativ mit dem Anker.
Ein Beispiel zum Thema Selbstliebe und Selbstbewusstsein:
Die Klientin ist überkritisch mit sich. Sie macht sich selbst nieder und nimmt ihre Fehler wie im Zerrglas war. Sie blockiert sich selbst und hat große Probleme, an ihrem Arbeitsplatz einen Konflikt durchzustehen oder auch nur eine Anweisung zu erteilen. Wir suchen die Ursachen, sie versöhnt sich mit sich selbst und nimmt sich selbst endlich wieder gerecht und mit liebevoller Haltung wahr. Dies verankern wir in ihrem Spiegelbild: Also, wann immer sie sich selbst gespiegelt sieht, also nicht nur im Spiegel, sondern auch in Fensterscheiben etc., lächelt sie sich selbst in Zukunft an, richtet sich auf und schickt ihrem Spiegelbild einen positiven, stärkenden Gedanken. Etwas ganz Kleines genügt, sowas wie: Ich mag mein Lächeln! Oder: Du machst das gut! Oder einfach nur: Power!
In Hypnose oder mit der Visualisierungstechnik MindTV verankern wir ihr Spiegelbild mit diesem Gefühl von Liebe und Akzeptanz. Meine Klientin bekommt die Hausaufgabe, dies in nächster Zeit zu üben. Und langfristig verselbständigt sich dieser Anker, er wirkt von alleine und verbessert sofort ihr Befinden. Der Blick in den Spiegel gibt ihr tatsächlich die Kraft, für sich selbst einzustehen und besser mit sich umzugehen.
Der Anker hilft auch bei großen Problemen. Anstatt zu Grübeln den Duft von Zitrone einzuatmen und wieder ganz bei sich selbst zu sein, beim Blick auf das grüne Armband Mut und Sicherheit zu spüren, wo vorher Angst war, all das funktioniert mit ein Wenig Übung verblüffend gut.
Anker sind äußerlich kleine, aber mächtige Werkzeuge. Manche Menschen ziehen Jahre nach einer Sitzung den kleinen Handschmeichler aus ihrer Hosentasche, wenn ich sie treffe. Manchmal musste ich einen nachliefern, weil der erste verschenkt wurde. Kinder lieben ihre Duftstifte und manches Heimweh auf Klassenfahrt wurde mit Lavendel kuriert.
Die kleinen Geschenke sind natürlich klasse. Aber auch ein „immaterieller“ Anker wie der Blick in den Spiegel, die Hand an der Türklinke, das Klingen des Schlüsselbundes sind hochwirksam. Der Vorteil dieser Anker ist: Man kann sie nicht verlieren.
Wollen Sie selbst ein Wenig ankern üben? Ich mache ihnen ein paar kleine, effiziente Vorschläge:
Abschalten nach der Arbeit:
Beim Abschließen der Tür/Aufschließen des Autos oder Fahrrades sich vorstellen, dass die Geschichten von der Arbeit in den Räumlichkeiten der Arbeit bis Morgen gut aufgehoben sind. Und dann auch wirklich den Heimweg zum Umschalten nutzen.
Wer zu wenig trinkt:
Immer, wenn ich von Toilette komme, trinke ich erstmal ein Glas Wasser. Hat den Vorteil, dass man gleich nach „Abgabe“ wieder auffüllt.
Nachts fällt ihnen ein, dass sie xy keinesfalls vergessen dürfen:
Sie ankern xy mit dem morgendlichen Zähneputzen oder mit dem In-die-Küche-Gehen. Sie stellen sich also ganz deutlich vor, wie ihnen xy automatisch einfällt. Klappt bombensicher, und mit dieser Gewissheit schlafen Sie leichter ein!
Stress und Anspannung:
Immer, wenn Sie eine Türklinke in der Hand fühlen, atmen Sie automatisch die nächsten Atemzüge ganz tief und ruhig.
Genervt im Auto:
Machen Sie ein Grinsekatze-Gesicht: Mundwinkel hoch und so die nächsten Minuten halten. Bis ihr Gehirn merkt, dass Sie lächeln und es mitmacht, indem es Glückshormone ausstößt…
Genau:
Anker sind auch sowas wie gute Gewohnheiten. Sie wirken wie Abkürzungen, direkte Verbindungen zwischen Problem und Lösung. Ohne dass Sie mühsam reflektieren müssen. Ein Sinneseindruck genügt.
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