Das innere Arschloch zähmen?

Noch nie, ganz klar, NOCH NIE hat mich jemand je so beschimpft. Mich gedemütigt, mir jeden Wert abgesprochen, mich pauschal in Grund und Boden getreten. Kein gutes Haar an mir gelassen. Mir gesagt, wie faul, fett und hässlich ich bin…

Niemand hat das je mit mir getan. Außer einer einzigen Person,

und die bin ich selbst.

Die Psychologie spricht vom „inneren Kritiker“. Viel zu nett, diese Bezeichnung. Finde ich.

Was diese/n Kritiker (manche halten sich sogar mehrere davon!) kennzeichnet?

         Sie sind alt. Uralt.

         Sie sagen nichts zur aktuellen Situation, sondern äußern sich pauschal über die Person.

         Sie sagen nichts Neues. Formelhafte, negative Sätze, die wie Hammerschläge treffen.

         Sie sagen nichts Nettes. Nie.

 

Stell dir mal vor, du könntest die Stimme hören. Woher würde sie sprechen? Mein Kritiker spricht von oben herab, rechts hinter mir. Er ist männlich und alt. Wenn ich ihn mir als Person vorstelle, ist er hager und grau und zeigt mit einem knochigen Finger auf mich, während er spricht… Wenn ich ihn mir vorstelle, ziehe ich die Schultern hoch und ducke mich automatisch.

 

Eines ist klar: Es lohnt sich nicht, ihm zuzuhören. Da kommt nichts, was weiterhelfen könnte.

Was kann ich tun?

Es ist gar nicht so einfach, ihn frühzeitig zu entlarven. Oft erkennt man ihn erst, wenn er sein Gift schon in die Seele injiziert hat. Wenn ich noch merke, dass er zum Sprung ansetzt, kann ich ihn wegjagen. Das klappt etwa so, wie ich Krähen verscheuchen würde. Von denen lasse ich mich ja auch nicht einfach attackieren, ich klatsche in die Hände oder rufe: Haut ab! So ähnlich kann ich ihn innerlich wegscheuchen, wegwischen. Ohne zuzuhören. Meine Erfahrung ist: Es braucht ein Wenig Übung, aber es geht jedes Mal leichter und schneller.

Und dann kann ich meine Seele stärken und schützen. Mit Selbstliebe und Selbstfürsorge.

Es lohnt sich, mir diese Anteile meiner Selbst als Personen vorzustellen. Und den Anteil, der dem Kritiker zugehört und geglaubt hat, ganz liebevoll aufzubauen. Wie eine Freundin, die mit Liebeskummer weinend vor der Tür steht… Was machst du da? Tee kochen, in eine warme Decke wickeln, sich ausweinen lassen. Was sagt man einer Freundin? Glaub dem Arschloch nicht. Er lügt. Ich kenne dich besser und ich mag dich!

 

Genau: Ich mag mich! Eigentlich mag ich mich doch?

Prävention ist besser, als den Kritiker in einer schwierigen Situation abwehren zu müssen. Dazu gibt es eine Visualisierungsübung:

Der Spiegel

Meine Klienten stelle ich in ihrer Fantasie vor einen Spiegel. Ich bitte sie, sich selbst in Ruhe anzuschauen, wie sie sich immer anschauen. Und dann die Perspektive zu wechseln: Wie fühlt sich dein Spiegelbild, wenn es so von dir angeschaut wird? Traurig, klein gemacht? Manchmal weint das Spiegelbild in der Vorstellung meiner Klienten und kann es kaum ertragen, so angesehen zu werden…

Wenn es sprechen könnte, was würde es sagen? Und was würde es sich wünschen? Der Dialog ist oft ganz einfach: Unser Spiegelbild wünscht sich meist, einfach so angeschaut zu werden, wie wir alle anderen Menschen anschauen. Menschen, die wir mögen.

Wir haben unseren inneren Spiegel verzerrt. Bis ein hässliches, dummes, schwaches Etwas darin zu sehen ist, über das so ein Kritiker ganz einfach herfallen kann.

Der Spiegel kann aber korrigiert werden. Stell dir vor, dass da drei Knöpfe sind.

  1. Dreh erstmal die Selbstwahrnehmung von „negativ verzerrt“ auf „freundlich, gerecht“ und dann ein Stück weit in Richtung „liebevoll“. Fühlt sich gut an, nicht wahr? Sei ruhig großzügig, stell auf „ich bin schön, klug, stark!“
  2. Und dann: Die Stellen an dir, die du nicht magst (du weißt schon, die Winkeärmchen oder so) drehe mit dem zweiten Knopf, dem Weichzeichner, von „ungerecht deutlich wahrgenommen“ auf „ok, die habe ich“ und bis zu „ist nicht das Wichtigste an mir“ oder gar „egal“.
  3. Dritter Knopf: Farbe reinbringen – jetzt mach mal alles schön klar und farbig, was du an dir magst: Dein Lachen, dein Dekolleté, die blitzenden Augen. Noch ein Stückchen weiter, dann fallen dir noch mehr positive Dinge an dir auf. Deine Stimme, dein Lachen, dein Mut… Wow, was für eine Ausstrahlung!

Und jetzt: fixiere die Knöpfe, damit sie nicht heimlich verrutschen können. Und nimm dir eine Übung vor: Wann immer du dein Spiegelbild siehst – auch in Fensterscheiben oder so – lächelst du dich an und siehst, wie glücklich es ist. Wie es wirklich ist. Jetzt, wo es liebevoll und gerecht angeschaut wird.

Das ist nur eine kleine Übung. Aber sie kann viel bewirken. Der Kritiker wird leiser und seltener mäkeln, wenn du gut mit dir selbst umgehst. Er vertrocknet. Und was er gar nicht leiden kann, ist dein Lachen…

PS Manchmal sind Kritiker sehr hartnäckig. Es gibt therapeutische Mittel, mit dem Kritiker ein Gespräch zu führen. Oft wird dann für die „Besitzer“ des Kritikers klar, was er meint und was ihn so penetrant macht. Und was helfen kann…

Kontaktieren Sie mich in diesem Fall gerne!

 

(Foto: Pexels)

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